Vorsingen, der Blog für die letzten 100 Meter auf dem Marathon zur Professur

Überblick: Die zentralen Schritte im Berufungsprozess

Sie bewerben sich zum ersten Mal auf eine Professur und kennen den Ablauf des Verfahrens nicht? Hier gibt es einen ersten Überblick!

Ein langer Weg mit vielen Beteiligten

Berufungsverfahren sind komplexe Prozesse, an denen vielen Menschen beteiligt sind. Nicht nur, aber auch deswegen dauern sie auch ungewöhnlich lang. Wenn ein Jahr zwischen Ausschreibung der Stelle und der Ernennung vergeht, war das schon ein recht zügiges Verfahren. Aber es kann eben auch deutlich länger dauern.

Ganz anders als in Industrie oder Verwaltung werden die Personen, die später für die Auswahl der Bewerberinnen zuständig sind, im Fakultätsrat gewählt. Auch Sie selbst können, wenn Sie zum wissenschaftlichen Personal Ihrer Uni gehören oder studieren, Mitglied einer Berufungskommission werden. Dabei lässt sich übrigens viel für eine eigene Bewerbung lernen: Wie werden Bewerbungsunterlagen in der Kommission diskutiert, Berufungsvorträge bewertet oder Gutachterinnen ausgewählt?

Verbindliche Rechtsgrundlagen für die Auswahl

Nicht alle Hochschulen informieren die Bewerber*innen darüber, wer Mitglied der Berufungskommission ist. Hilfreich kann hier ein Blick in die Berufungsordnungen und das Hochschulgesetz des jeweiligen Bundeslandes sein, denn hier wird geregelt, wie die Kommission zusammengesetzt wird und der Auswahlprozess ablaufen muss. Sehr interessant ist z.B., wie groß die Kommission sein wird. So können Sie sich mental darauf einstellen, ob Ihnen eher acht oder gar mehr als 15 Personen im Bewerbungsgespräch gegenüber sitzen.

Es gibt nur begrenzt viele Stellen

Aber noch mal ein Schritt zurück. Bevor Ihre Stelle ausgeschrieben wird, muss sie überhaupt existieren. Hochschulen haben nur sehr begrenzte Möglichkeiten, neue Stellen und Fachgebiete einzurichten. Mögliche Spielräume zur Schaffung von neuen Fachgebieten werden oftmals zu Lasten anderer Stellen hergestellt.
So ist zum Beispiel im Augenblick zu beobachten, dass manche Vollprofessuren zu Gunsten von neu eingerichteten Junior- oder Tenure-Track-Professuren gestrichen werden. Das ist übrigens grade für die Generation, die sich aktuell für W2- und W3-Stellen qualifizieren (z.B. als Nachwuchsgruppenleitung) problematisch. Sie kommen für die W1-Stellen nicht mehr in Frage, während die Anzahl der Vollprofessuren – auf die sie sich eigentlich bewerben wollten – runtergefahren wird.

Ausschreibungspflicht und Bewerbungsunterlagen

Professuren müssen in der Regel öffentlich ausgeschrieben werden. Bisweilen werden Sie als Bewerber*in gebeten, ergänzend zu den Bewerbungsunterlagen, sogenannte Bewerbungsbögen auszufüllen, in denen die wichtigsten Infos zur Person eher tabellarisch abgefragt werden. Dies ist in der Medizin und den Naturwissenschaften schon sehr verbreitet und hält gerade auch Einzug in die Geistes- und Sozialwissenschaften.

Wie entscheidet die Berufungskommission, wer eingeladen wird?

Viele, aber nicht alle Berufungskommission diskutieren in ihrer konstituierenden Sitzung, welche Auswahlkriterien angelegt werden sollen, und beziehen sich auf diese, wenn Entscheidungen getroffen werden.
Nach Eingang der Bewerbungsunterlagen können alle Kommissionsmitglieder die Unterlagen durchsehen. Oftmals wird aber auch schon zuvor eine Vorauswahl vorgenommen. So kann es z.B. sein, dass in einem Fachgebiet, in dem die Habilitation noch einer wichtigen Rolle für den Qualifikationsprozess spielt (wie etwa in den Geschichtswissenschaften), für W2- und W3-Stellen an Universitäten zunächst nur Bewerbungen von Habilitierten in Betracht gezogen werden. Aber auch andere Kriterien, wie z.B. eingeworbene Drittmittel oder die Anschlussfähigkeit an die vor Ort bestehenden Institute oder Forschungsverbünde, können eine wichtige Rolle spielen.

Bewerbungsbögen können für die Vorauswahl ausschlaggebend sein. Anhand dieses Kurzprofils wird dann entschieden, ob die Kommission sich Ihre eigentlichen Bewerbungsunterlagen überhaupt anschaut oder aber auf die Sichtung ganz verzichtet.

Haben Sie es in die nächste Runde geschafft, werden in vielen Fällen die eingereichten Publikationen von einem der Kommissionsmitglieder gelesen und für die Kommission bewertet. Diese Einschätzung der wissenschaftlichen Arbeit hilft der Kommission zu entscheiden, welche Bewerber*innen zum Vorsingen eingeladen werden.
Für manche Kommissionen ist die Vorauswahl ein verhältnismäßig gut bearbeitbare Aufgabe. Die Diskussionen verlaufen sachlich und ein für alle zufriedenstellender Konsens kann gefunden werden.

Es gibt aber auch immer wieder schwierige Situationen bis hin zu ernsthaften Konflikten speziell auch später im Verfahren, wenn entschieden wird, wer schlussendlich auf „die Liste“ kommt. Es geht ja für die Beteiligten auch um viel: Mit wem werden wir in Zukunft zusammenarbeiten, welche Schule, welche Schwerpunkte setzen sich im Institut durch, welche Fraktion in der Fakultät wird durch den Ruf gestärkt, welche geschwächt? Vielleicht geht es auch um die Frage, welche zukünftige Konkurrenz hole ich mir ins Haus?

Das Vorsingen

Klassischerweise stellen Sie sich mit einem (hochschulöffentlichen) wissenschaftlichen Vortrag vor. Darauf folgt in der Regel das nichtöffentliche Gespräch, also das Bewerbungsgespräch mit der Berufungskommission. Weitere Möglichkeiten zur Vorstellung können auch eine Probevorlesung oder z.B. Gespräche mit Mitgliedern der Fakultät sein. Viele Unis verändern und professionalisieren zurzeit ihre Berufungsverfahren und neue Elemente der Personalauswahl halten Einzug.

Mit der Einladung werden Sie (an Universitäten) zumeist aufgefordert, vorab Ihr Thema für den Berufungsvortrag einzureichen. An Fachhochschulen werden das Thema oder die Themen vorgegeben.
Wie kann ich mich vorbereiten?

Für das Kommissionsgespräch ist es – wie auch schon in der Bewerbung – wichtig, sich mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut zu machen. Die Kommission merkt, ob Sie sich auf die Situation vor Ort wirklich einstellen oder eher ein Standardprogramm abspulen.
Einfach zugänglich über die Webpräsenz sind zumeist die Studienordnungen, die Struktur der Institute, bestehende Forschungsverbünde oder z.B. Graduiertenprogramme.

Seien Sie auf Fragen zu Ihrem Beitrag in Forschung, Lehre und Selbstverwaltung vorbereitet. Die Kommission möchte – verständlicherweise – gerne ein klares Bild davon bekommen, wie Sie sich inhaltlich und persönlich einbringen wollen.

Überzeugender als Allgemeinplätze sind hier fundierte Überlegungen und anschlussfähige Konzepte.

Die Berufungsliste

Auf die Berufungsliste kommt, wer die Kommission überzeugt hat, bzw. die Personen, auf die die Kommission sich einigen kann.

Nun ist es Aufgabe der externen Fachgutachter*innen auf Grundlage der eingereichten Unterlagen erneut zu prüfen, ob die Personen auf der Liste für einen Ruf auf diese Stelle geeignet sind und wie eine Reihung von Platz eins bis drei aussehen könnte. Die Berufungskommission entscheidet dann abschließend über die Liste. Diesem Vorschlag müssen auch die weiteren beteiligten Gremien (in der Regel Fakultätsrat, Senat und Hochschulleitung) zustimmen.
Oftmals bekommt die Person auf Platz 1 bereits frühzeitig erste positive Signale, meistens Anrufe, aus der Berufungskommission:

„Es sieht gut aus, das Ganze muss zwar noch durch die Gremien, aber wir haben uns für Sie entschieden“.

Berufungsverhandlungen

Wenn Sie dann irgendwann auch offiziell diese erfreuliche Nachricht erhalten, ist das Berufungsverfahren noch nicht abgeschlossen. Bei den meisten Professuren stehen nun die Berufungsverhandlungen mit der Fakultät und/oder dem Präsidium an. Hier geht es darum, wie Sie die Stelle ausgestalten möchten und inwieweit die Hochschule Sie mit Ressourcen für die Umsetzung Ihrer Pläne unterstützen will.

Jetzt gilt es erneut zur recherchieren und sich sehr genau mit den Aufgaben, vorhandenen Ressourcen und Strukturen vertraut zu machen. Ihren Plan und die dafür benötigen Ressourcen erläutern Sie dann in Ihrem „Konzeptionspapier zur Ausstattung der Stelle“. Im sogenannten „Besoldungsschreiben“ formulieren Sie Ihre Gehaltsvorstellung.

Die Hochschulleitung und/oder der/die Dekan*in prüfen dieses Konzept und laden zum Verhandlungstermin ein. Es ist wichtig, sich hierfür gründlich vorzubereiten, denn für den Verhandlungserfolg braucht es neben einem Schuss Selbstvertrauen vor allen Dingen überzeugende Argumente und gutes Verständnis für die Belange und Situation am neuen Standort.

Fazit

Berufungsverfahren sind aufwändige Auswahlprozesse mit vielen Beteiligten. Sie dauern nicht selten zwischen ein und zwei Jahren. Die gründliche Vorbereitung aller Verfahrensschritte steigert Ihre Erfolgschancen.

(c) Franziska Jantzen
Foto: Gefunden auf einem Flipchart an der HAW Hamburg im Rahmen der Roadshow 2018, Grafik Marie Seeberger

14.10.2020

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