Vorsingen, der Blog für die letzten 100 Meter auf dem Marathon zur Professur

Auf die Professur bewerben, wenn Nr. 1 schon feststeht?

Soll ich mich auf eine Professur bewerben, wenn schon bekannt ist, wer die Stelle bekommen soll? Hier sind die Pros und Cons!

Manche Wissenschaftler*innen sind in der glücklichen Position, dass eine Professur für sie ausgeschrieben wurde. Das erkennt man oft schon an einem ungewöhnlichen Profil der Stelle oder daran, dass der Ausschreibungstext ganz erstaunlich perfekt auf ein Mitglied des potenziellen Bewerber*innenkreises passt. Das ist natürlich für alle anderen von Nachteil.

Nichtsdestotrotz ist es Hochschulalltag.

Nahliegend ist, sich nun nicht zu bewerben. Wozu der ganze Stress, die ganze Arbeit mit der Vorbereitung und Präsentation? Es gibt allerdings ein paar gute Gründe, Ihren Hut dennoch in den Ring zu werfen:

Drei gute Gründe, sich auf eine Professur zu bewerben, die schon vergeben scheint

1. Üben Sie das Vorsingen vor der Berufungskommission

Das gilt natürlich ganz besonders, wenn Siich zum ersten oder zweiten Mal auf eine Professur bewerben, also noch nicht so viel Erfahrung mit dem Vorsingen haben. Wenn man ohnehin weiß, dass jemand anderes die Stelle bekommt, ist es eine wirklich gute Gelegenheit zu lernen, wie ein Verfahren abläuft. Wie mit fast allem im Leben gilt: Üben hilft. Wenn ich etwas öfter mache, fällt es mir in der Regel leichter.

So sind Sie dann für einen Bewerbung auf eine andere Stelle schon gut vorbereitet und die Chancen für einen Listenplatz erhöhen sich. Nur am Rande bemerkt, es kann natürlich auch sein, dass Sie gar nicht eingeladen werden, weil Sie zu gut sind und damit der Nr. 1 die Show stehlen könnten. Nehmen Sie das nicht persönlich…

2. Chance auf einen Listenplatz

Wenn die Vorstellung gut verläuft und Sie gut zur Stelle passen, kann es sein, dass Sie auf Platz 2 oder 3 der Berufungsliste kommen. Das wiederum können Sie in Ihrem CV in der Sparte „Platzierungen in Berufungsverfahren“ aufführen. Es hat ein sehr positives Signal bei weiteren Bewerbungen, weil es zeigt, dass Sie zu den Besten in Ihrem Fach gehören und in jedem Fall berufbar sind.

3. Es ist sehr sehr unwahrscheinlich, aber vielleicht bekommen Sie den Ruf auf die Professur

Ja, es gibt sie, die ganz wenigen Ausnahmen, in denen es tektonische Verschiebung innerhalb einer Fakultät mit nachfolgend schwerem Erdbeben gibt und Kandidat*in Nr. 1 nicht berufen wird. (Nicht ganz vergleichbar, weil ein anderes Verfahren, aber wer hätte gedacht, dass Sascha Spoun seine Nominierung als Präsident der Uni Göttingen im Sommer 2019 zurückzieht.)

Hier die möglichen Ereignisse:

Und was spricht gegen eine Bewerbung?

1. Wenig Zeit, viel Arbeit. Ergebnis: keine Professur

Die Teilnahme an Berufungsverfahren kostet Zeit. Es ist sehr gut möglich, dass Sie viel Arbeit investieren und es sich einfach nicht lohnt, also Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis stehen.

2. Schlechter Umgang mit den Bewerber*innen

Es kommt vor, dass alle anderen Bewerber*innen schnell zu spüren bekommen, dass sie nur Staffage sind. Manchmal sind die Zeiten für den Vortrag und das Gespräch mit der Kommission absurd kurz. 15 Minuten für den Vortrag, 15 Minuten Interview und schon sind Sie wieder entlassen. Da gibt es wenig Gelegenheit zu üben oder zu glänzen.

Bisweilen werden die Bewerber*innen dann auch mit besonders kritischen oder auch unsachlichen Fragen konfrontiert. Dahinter steht die Idee, dass Sie sich unter Druck schlechter präsentieren, unsicher werden und Ihre Performance suboptimal läuft. Durch diese Strategie wird umgekehrt natürlich indirekt Nr. 1 gestützt. Dieser Person werden oftmals Fragen gestellt, die es ihr ermöglichen zu zeigen, wie gut sie das Profil der Stelle ausfüllen kann. Es kann auch sein, dass zu Ihrem Vortag oder auch dem Gespräch nicht mal die ganze Berufungskommission erscheint. Vollbesetzung, also die Anwesenheit aller Mitglieder, gibt es nur bei Nr. 1. Das macht natürlich keinen Spaß und zeigt dann das geringe Interesse und der Berufungskommission.

Bewusste Entscheidung treffen

Ob Sie sich bewerben, braucht also eine individuelle Kosten- und Nutzen-Abwägung. Immer mit berücksichtigen würde ich, wie viele Stellen es überhaupt im Fach gibt, wie gut Sie für die Stelle qualifiziert sind und natürlich auch, ob Sie sich gerade fit genug fühlen, sich im schlechtesten Falle einer unfreundlichen Berufungskommission zu stellen.

Wie werden Sie sich bei der nächsten Stellenausschreibung entscheiden, für die die Auswahl vermutlich bereits getroffen wurde?

(c) Franziska Jantzen
Foto: Unsplash

02.09.2020

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