Ich bin zum ersten Mal zum „Vorsingen“ eingeladen. Es geht um eine W3-Professur. Zum Vorstellungstermin gehört auch ein gemeinsames Abendessen. Was erwartet mich und wie soll ich mich verhalten?
Dieser Programmpunkt ist kein Standardmodul eines Hearings, aber nicht ungewöhnlich. Gemeinsam Essen hat etwas Verbindendes, viel Informelleres als ein offizielles Meeting. Es gibt die Gelegenheit persönlich ins Gespräch zu kommen und Inhalte auszutauschen, die üblicherweise in Bewerbungssituationen nicht adressiert werden.
Dafür treffen sich Kommission und Bewerber/innen z.B. im Campus-Restaurant zum gemeinsamen Essen. Es kann sein, dass die Kommissionsmitglieder ab und an den Platz wechseln, um mit mehreren Gästen zu sprechen. Inhaltlich variieren die Gespräche zwischen Small-Talk über den Wohnungsmarkt bis hin zur Diskussion von Forschungsplanungen, vielleicht werden auch Positionen zu hochschulpolitischen Fragen ausgelotet.
Manchmal stellt die Berufungskommission den Standort etwas ausführlicher vor und berichtet über Formen der Zusammenarbeit, Ziele und aktuelle Herausforderungen.
Es kann auch sein, dass nur eine Bewerberin mit dem Vorsitzenden und/oder der Dekanin essen geht. In diesem Fall sind Sie eindeutig in der engeren Wahl und wichtige Player in der Fakultät möchten sich absichern, ob Sie den Erwartungen entsprechen, die durch die Bewerbungsunterlagen geweckt wurden.
Dauer: 1-1,5 Stunden sind nicht unüblich, in manchen Fällen auch länger.
Im besten Fall haben können Sie dadurch einen interessanten Eindruck von der neuen Hochschule gewinnen: Mit wem werde ich zusammenarbeiten, was beschäftigt die Kolleg/innen, passen Inhalte und Chemie? Ist die Kommunikation wertschätzend oder eher distanziert?
Und noch ein etwas kritischerer Blick auf das Geschehen:
Es geht implizit immer auch um den sogenannten Habitus. Dahinter verbergen sich diffuse Aspekte der Zugehörigkeit: Passen Sie zu uns, wie professoral sind/wirken Sie? Personalauswahl wird von nicht rein sachlichen und auch ausgrenzenden Faktoren beeinflusst, wie z.B. dem »similar to me«-Prinzip. Es beschreibt unsere Tendenz Menschen positiver zu bewerten, die uns ähnlich sind. Ob das der Bestenauslese im Sinne des Beamtengesetzes dient, ist fraglich. Es kann zudem sein, dass in diesem informellen Rahmen Themen touchiert werden, die im offiziellen Bewerbungsgespräch nicht erlaubt sind oder nicht vertieft werden können. Der hier gewonnene Eindruck fließt trotzdem in die spätere Bewertung mit ein.
Insgesamt sind die Gespräche aber oft freundlich und entspannt. Es geht nicht darum, dass Sie eine Rolle spielen, aber es ist auch kein Dinner im Freundeskreis.
Hier ein paar Vorschläge, wie Sie gut durch den Abend kommen:
• Essen Sie etwas, bei dem Sie gut reden können ohne sich zu sehr aufs Essen konzentrieren zu müssen, Also keine tropfenden Saucen oder Pizza die über dem Tellerrand hängt.
• Trinken Sie am besten gar keine Alkohol.
• Falls Ihnen Small-Talk schwerfällt, überlegen Sie vorab einige Themen: Hochschule, Strukturen, Lehre, das gute Essen gehen immer.
• Nutzen Sie die Gelegenheit, über eigene Erfolge und Ziele zu sprechen, aber vermeiden Sie eine zackige Elevator-Pitch-Präsentation.
• Versuchen Sie – insbesondere als Frau – Fragen zur Familie oder gar Familienplanung freundlich zu umschiffen, bzw. eher kurz darüber zu sprechen. Auch ein Hausbau an einem hochschulfernen Standort sollte nicht erwähnt werden.
Ich wünsche Ihnen guten Appetit, eine nette Runde und viel Erfolg bei Ihrer Bewerbung!
Franziska Jantzen ist Coach und Karriereberaterin. Sie informiert auf „Vorsingen, dem Blog für die letzten 100 Meter auf dem Weg zu Professur“ über die Fallstricke von Berufungsverfahren. Als Mitglied des Coachingnetz Wissenschaft berät in ZEIT WISSEN3 die Scientific Community als „Dr. acad. Sommer“. https://jantzen-entwicklungen.de/blog, https://coachingnetz-wissenschaft.de
(c) Franziska Jantzen
5.5.2025
Foto: privat
17.09.2025
Franziska Jantzen
entwicklungen
Friesenstraße 17 · 30161 Hannover
Tel.: 0049 (0)511-89711494
E-Mail: info@jantzen-entwicklungen.de