Das klingt nach einer Entweder-Oder-Entscheidung: Ist der familiäre Zusammenhalt wichtiger als die eigene berufliche Zufriedenheit? Oder umgekehrt?
Wenn zwei so starke Werte sich wie bei Ihnen geradezu diametral gegenüberstehen, ist das herausfordernd. Bevor Sie sich entscheiden, lohnt es sich nach etwas Drittem zu suchen, einer Option, in der beides Raum bekommen kann.
Vorab: Eine gewisse Zurückhaltung Ihnen gegenüber durch das neue Kollegium überrascht mich nicht. Wie Sie sagen: Wahrscheinlich haben einige in der Vergangenheit selbst auf eine Entfristung für sich selbst oder in ihrem Team hingearbeitet. Solche Dauerstellen sind rar und umso mehr begehrt.
Auch ansonsten freundliche und kollegiale Menschen müssen verarbeiten, nicht berücksichtigt worden zu sein. Wenn der Eindruck entsteht, dass die eigene Leistung nicht gewürdigt und man auf unfaire Weise übergangen wurde, entstehen Neid, Frustration und Ärger. Und es kann gut sein, dass Sie davon einiges abbekommen.
• Überprüfen Sie, ob sich wirklich alle Personen dauerhaft ablehnend verhalten. Gibt es Ausnahmen? Das kann ein Nicken im Flur sein, wenn man sich begegnet, ein kurzes Gespräch an der Kaffeemaschine oder eine weitergeleitete Email. **Suchen Sie aktiv nach diesen Ausnahmen und nicht nach der Bestätigung Ihres ersten Eindrucks. Das hilft Ihnen, offen zu bleiben und die Kränkung, eher unfreundlich empfangen worden zu sein, beiseite zu schieben.
• Werden Sie selbst aktiv. Haben Sie bereits zum Einstand eingeladen? Auch wenn nicht alle kommen, ein paar werden es bestimmt sein…
• **Auch wenn andere kühl sind, bleiben Sie beharrlich entgegenkommend und freundlich.
• Tauchen Sie nicht ab. Zeigen Sie im Institut oder der Fakultät, dass Sie sich neben Ihrer Forschung auch für die Selbstverwaltung engagieren. Hier gibt es viele Möglichkeit echtes Interesse an kollegialer Zusammenarbeit zu zeigen. Als Mitglied z.B. einer Studiengangskommission arbeiten Sie automatisch mit Kolleg*innen zusammen. Darüber kann sich die Arbeitsbeziehung einspielen und normalisieren.
• **Nutzen Sie Vortragsreihen oder Workshops vor Ort, um sich fachlich einzubringen und somit auch als eigenständiger Wissenschaftler sichtbar zu werden. Im Augenblick sehen einige in der Fakultät Sie vielleicht nur als „den Mann von Frau Prof. Dr. …“ Sorgen Sie dafür, dass dieses Bild durch Ihre eigenen Aktivitäten überlagert wird.
Vielleicht aber wünschen Sie sich selbst mehr wissenschaftliche Unabhängigkeit oder haben den Eindruck im Schatten Ihrer Frau zu stehen. Das kann auch für eine Beziehung belastend sein. Loten Sie aus, wo in den nächsten Jahren in leicht pendelbarer Entfernung eine Professur oder andere interessante akademisch Position frei wird.
Oder gibt es perspektivisch andere Optionen für Sie vor Ort, z.B. in der Industrie? Arbeiten Sie an einer strategischen Schärfung Ihres Profils, die eine erfolgreiche Bewerbung befördert. Und dann, wenn es eine interessante Option gibt, können Sie sich neu entscheiden: Bewerbe ich mich weg oder hat sich die Situation vor Ort so verbessert, dass ich gerne bleibe?
Franziska Jantzen ist Coach und Karriereberaterin. Sie informiert auf „Vorsingen, dem Blog für die letzten 100 Meter auf dem Weg zu Professur“ über die Fallstricke von Berufungsverfahren. Sie ist Mitglied des Coachingnetz Wissenschaft und berät in ZEIT WISSEN3 die Scientific Community als „Dr. acad Sommer“. https://jantzen-entwicklungen.de/blog, https://coachingnetz-wissenschaft.de
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(c) Franziska Jantzen
Foto: Jonathan Faber / unsplash.com
29.01.2025
29.01.2025
Franziska Jantzen
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