Vorsingen, der Blog für die letzten 100 Meter auf dem Marathon zur Professur

Schon vor der Bewerbung mit der Berufungskommission Kontakt aufnehmen?

Was in der Wirtschaft weit verbreitet ist und zudem in vielen Bewerbungsratgebern empfohlen wird, ist in der Wissenschaft eher tricky.

Neulich haben die Teilnehmer*innen eines Berufungstrainings intensiv diskutiert, ob man unbedingt im Vorfeld der Bewerbung mit der Kommission Kontakt aufnehmen sollte. Die Pro-Fraktion meinte, dass man so aktiv Interesse zeigt, es sogar tun sollte, um nicht aus dem Verfahren zu fallen**, während die Kontra-Fraktion dagegen hielt, dass man sich damit eher unbeliebt macht oder es als Versuch der Beeinflussung des Verfahrens gewertet wird.

Muss ich anrufen, auch wenn ich das gar nicht möchte?

Wer hat nun Recht? Ist die Formulierung in der Stellenausschreibung „Bei weiteren Fragen wenden Sie sich bitte an Prof. Dr. Altinoğlu“ nur ein erster Test, mit dem die Spreu vom Weizen getrennt wird? Wird nur eingeladen, wer zuvor anruft oder eine Mail schreibt?

Das ist eher nicht der Fall. Ein klares Signal ist ja, dass manche Kommissionen in der Ausschreibung gar keine Kontaktperson angeben, sondern erst mit der Einladung zum Vorsingen über eine mögliche Kontaktaufnahme informieren.

Perspektivwechsel: Was ist hilfreich für die Berufungskommission?

Szenario 1: Es gibt viele potenzielle Bewerber*innen auf die ausgeschriebenen Professur

Die mögliche Kontaktperson ist in vielen Fällen ein Mitglied der Berufungskommission. Stellen Sie sich nun vor, für die ausgeschriebene Stelle gibt es sehr viele gut qualifizierte Bewerber*innen. Theoretische 70 Anrufe von Interessierten noch vor der Bewerbung lassen vermutlich selbst den gutwilligsten - als Kontaktpersonen angegebenen - Kommissionsvorsitzenden eher unwirsch werden. Vor allen Dingen, wenn es nur darum geht, sich „einfach schon mal vorab zu melden“ oder wenn Ihre Fragen auch durch ein Blick auf die Website der Hochschule leicht zu beantworten wären.

Das ist auch verständlich, denn die Mitarbeit in einer Berufungskommission ist zwar eine wichtige Aufgabe eines / einer Professorin, aber eben nicht die einzige. Wenn Forschung, Lehre und grade auch noch Corona den Arbeitsalltag bestimmen, ist die Zeit natürlich begrenzter, als wenn ich als Profi-Recruiterin ausschließlich mit Personalauswahl beschäftig bin.

Szenario 2: Es gibt ein Gewinnungsproblem

Ganz anders sieht es natürlich aus, wenn Sie sich auf eine Professur in einem Fachgebiet bewerben, in dem händeringend gute Leute gesucht werden, wie z.B. derzeit in den Hebammenwissenschaften.
Wo es einen Bewerber*innenmangel gibt, ist das Interesse und die Bereitschaft viel größer
, sich schon früh im Verfahren ausführlich mit Ihnen zu unterhalten oder Sie gar zu motivieren, sich zu bewerben. Das gilt oftmals besonders für Fachhochschulen, die einerseits generell wirtschaftsnäher agieren, aber zudem auch in einigen Fächer erhebliche Gewinnungsprobleme haben.

Hier haben die Bewerber*innen oft viele Fragen im Vorfeld, denn sie kommen ja häufig aus der Praxis und sind mit den Prozessen an Hochschulen weniger vertraut. Und hier „lohnt“ es sich dann, als Kommission vorab mit einer qualifizierten Bewerberin zu sprechen, weil sie sich ohne Ermutigung oder weitere Infos sonst vielleicht gar nicht bewirbt.

Wie so oft also gibt es keine einheitliche Regel. Das gilt übrigens auch für den Informationsgehalt der Auskünfte, die Sie auf Ihre Fragen hin bekommen. Manche Hochschulen sind generell sehr zugeknöpft, währen andere offen, transparent und gerne Auskunft geben.

Entscheidungskriterien für oder gegen die frühzeitige Kontaktaufnahme

Falls Sie bereits gute oder auch weniger gute Erfahrung mit dem Vorabkontakt mit der Kommission haben, freue ich mich - wie immer - über eine Rückmeldung.

(c) Franziska Jantzen
Foto: Franziska Jantzen

04.11.2020

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Franziska Jantzen
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