Vorsingen, der Blog für die letzten 100 Meter auf dem Marathon zur Professur

Vier Entscheidungskriterien: Wann soll ich meinen Hut in den Ring werfen und mich auf eine Professur bewerben?

Strategie, Bauchgefühl, harte Fakten, rechtliche Rahmenbedingungen: Es hängt von verschiedenen Aspekten ab, wann der richtig Zeitpunkt für die Bewerbung auf eine Professur ist.

Die „harten“ Einstellungskriterien:

Fangen wir gleich mit den harten Kriterien an. Welche Vorschriften gelten, was muss ich eigentlich mitbringen, um mich bewerben zu können?
Professuren sind Beamtenstellen, es gelten die Regelungen des Beamtenrechts und die Hochschulgesetze der Länder, die beachtet werden müssen. Die folgenden rechtlichen Regelungen für die Einstellung von Professor*innen sind hier beispielhaft aus dem Niedersächsischen Hochschulgesetz (NHG) entnommen.

Was muss ich für eine Juniorprofessur mitbringen?

„Einstellungsvoraussetzungen für Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren sind 1. ein abgeschlossenes Hochschulstudium, 2. pädagogisch-didaktische Eignung und 3. die besondere Befähigung zu vertiefter selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit, die in der Regel durch die herausragende Qualität einer Promotion nachgewiesen wird, oder die besondere Befähigung zu selbstständiger künstlerischer Arbeit.“ So regelt es §30 Abs. 2 NHG. Bei Mediziner*innen wird zudem noch die Anerkennung als Fachärztin oder -arzt erwartet. Aber auch die Beschäftigungszeiten als Wimi oder Wissenschaftliche Hilfskraft sind von Bedeutung und sollen insgesamt nicht mehr als sechs Jahre, bzw. in der Medizin neun Jahre betragen.

Einstellungskriterien für Vollprofessuren

Für die Bewerbung auf W2- und W3-Professuren gelten ebenfalls all diese Kriterien. Aber zusätzlich werden erwartet: „wissenschaftliche Leistungen, die in der Regel im Rahmen einer Juniorprofessur oder einer Habilitation, im Übrigen auch im Rahmen einer Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Hochschule oder einer außeruniversitären Forschungseinrichtung oder im Rahmen einer anderen wissenschaftlichen Tätigkeit im In- oder Ausland erbracht worden sind“ (§ 25 (1) Satz 4 NHG). Diese Reglung zeigt also, dass die Anforderungen für Bewerber*innen auf Vollprofessuren deutlich höher als die für eine Juniorprofessur sind.

Die Habilitation: Risse in der Fassade

Die Habilitation wird im Gesetz nur noch als einer von mehreren möglichen Zugängen zur Vollprofessur genannt. In manchen Fachgebieten, wie z.B. der Medizin oder auch oftmals noch den Philologien, hat sie aber noch immer so große Bedeutung, dass häufig auch Nachwuchsgruppenleiterinnen oder Juniorprofessorinnen noch zusätzlich die Habilitation anstreben, um ihre Chancen auf den Ruf auf eine Professur zu vergrößern.

Ein interessantes Phänomen ist hier im Übrigen, dass die Kriterien für die Habilitation bisweilen an verschiedenen Standorten sehr unterschiedlich sind. Während an der einen Uni sechs Publikationen für eine kumulative Habilitation erwartet werden, sind es im gleichen Fach an einem anderen Standort acht Publikationen. Unterschiedlich können aber auch die Anforderungen an die Lehrerfahrung sein.

Der deutsche philosophische Fakultätentag sieht diese Problematik, misst der Habilitation aber noch immer einen hohen Wert bei und hat 2019 sehr intensiv darüber diskutiert, wie die Habilitation vor einer Erosion geschützt werden kann. Vermutlich aber wird sie in den nächsten Jahren grade auch durch die breite Einführung der Tenure-Track-Professuren weiter an Bedeutung verlieren. Es lohnt sich also, sich mit erfahrenen Mitgliedern der eigenen Fakultät auszutauschen, ob es wirklich noch notwendig ist, zu habilitieren.

Professuren an Hochschulen für angewandte Wissenschaften/Fachhochschulen

Hier sind die Kriterien naturgemäß etwas anders gelagert, denn die Berufspraxis spielt eine bedeutende Rolle. Was sehr nachvollziehbar ist, denn hier werden Praktiker*innen ausgebildet, die natürlich von den Erfahrungen der Lehrenden profitieren möchten.

Statt der für W2- und W3-Stellen an Unis geforderten „zusätzlichen wissenschaftlichen Leistungen“ werden hier „besondere Leistungen bei der Anwendung oder Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden in einer mindestens fünfjährigen beruflichen Praxis (erwartet), von der mindestens drei Jahre außerhalb des Hochschulbereichs ausgeübt worden sein müssen.“

Manche Landesgesetze lassen inzwischen auch Bewerberinnen zu, die diese drei Jahre Berufserfahrung außerhalb der Hochschule nicht nachweisen können, aber wissenschaftlich sehr gut ausgebildet sind. Das ist ein verhältnismäßig neues Phänomen und auch u.a. damit zu erklären, dass einige Hochschulen für angewandte Wissenschaften inzwischen – zumindest für manchen Fakultäten – ein Promotionsrecht haben und hierfür wissenschaftlich sehr gut ausgebildete Betreuerinnen gebraucht werden. Zudem gewinnt hier der Stellenwert der Forschung zunehmend an Bedeutung. Im Zweifelsfall können Sie auch direkt bei der ausschreibenden Hochschule nachfragen, wie die eigene Praxiserfahrung bewertet wird.

Wie sieht der Markt aus, wer bewirbt sich noch außer mir auf eine Professur?

Es lohnt sich, den Stellenmarkt im eigenen Fach genau zu beobachten: **Wann geht wer in den Ruhestand? Ist zu erwarten, dass in den nächsten Jahren viele Stellen ausgeschrieben werden? Welchen Stellen werden aktuell besetzt?

Dieser Überblick ist leichter zu gewinnen, wenn Sie z.Z. selbst in der Wissenschaft arbeiten. Sollten Sie sich nach Jahren der Berufstätigkeit in der Wirtschaft oder Verwaltung aber nun auf eine FH-Professur bewerben, ist das natürlich nicht ganz so einfach, aber Sie können sich ein bisschen Optimismus erlauben. Hochschulen für angewandte Wissenschaften haben gegenwärtig sehr viele offene Stellen und suchen sehr intensiv nach geeigneten Bewerber*innen.

In manchen Fächern, wie den Pflegewissenschaften oder aktuell insbesondere den Hebammenwissenschaften sind die Chancen, für qualifizierte Bewerber*innen berufen zu werden recht gut. Hier werden Fächer auf- und ausgebaut oder ganz neu an den Unis etabliert. Auch in der Psychologie gibt es durch die neu an den Hochschulen angesiedelte Psychotherapie-Ausbildung einen veränderten „Markt“. Längere Zeit war auch die Fachdidaktik ein Bereich, in dem früh in der Qualifikationsphase berufen wurde.

Während also in manchen Fächern bisweilen schon Menschen zum Vorsingen für Tenure-Track-Professuren eingeladen werden, deren Promotionsverfahren noch nicht völlig abgeschlossen ist, konkurrieren in anderen Fachgebieten erfahrene Postdocs oder gar Habilitierte um eine Juniorprofessur.

„Hanna“ bleiben oder so schnell wie möglich auf die Professur?

Es gibt nicht wenige Wissenschaftler*innen, die auf Postdoc-Positionen, Ratsstellen oder als Leitung einer Nachwuchsgruppe viel Freunde an ihrer Arbeit haben und sagen: „Eigentlich bräuchte ich gar keine Professur. Mit der mir erarbeiteten Unabhängigkeit kann ich genauso forschen und lehren, wie ich es gerne möchte. Am liebsten hätte ich diese Stelle einfach unbefristet.“ Grade die aktuelle Debatte im Sommer 21 unter dem Twitter-Hashtag #IchBinHanna zeigt erneut auf, wie knapp solche Stellen in Deutschland sind.
Andere möchten so schnell wie möglich auf eine Professur, um die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten dieser Position nutzen zu können oder aber auch einfach unabhängig von der eigenen Chefin oder dem eigenen Chef zu werden.

Vier zentrale Kriterien für meine Entscheidung

1) Stellenmarkt

Wie sieht der Stellenmarkt in meinem Fach aktuell und in näherer Zukunft aus? Ist es strategisch klug, mich jetzt zu bewerben, oder eher besser, noch etwas zu warten?

2) Wie gut bin ich qualifiziert und was fühlt sich für mich im Augenblick richtig an?

Manchmal kann es ist es sinnvoll sein und gut tun, noch ein Jahr zu warten, bis Sie noch etwas mehr Erfahrung in der Führung von Mitarbeiter*innen gesammelt haben, ein wichtiges Forschungsprojekt auf einem guten Weg ist, Sie sich in der Rolle der grade erst begonnen Nachwuchsgruppenleitung kompetent erleben oder ein spannendes gemeinsames Lehrprojekt mit Kolleg*innen vor Ort noch implementiert wurde. Auch wenn alle anderen sagen: „Du bist doch super für diese Professur geeignet, bewirb dich doch“, müssen Sie das nicht tun.

3) Selbstvertrauen

Falls Sie Tendenzen haben, generell an sich zu zweifeln, obwohl Ihr CV ein anderes, recht erfolgreiches Bild von Ihnen gibt, kann es eine gute Idee sein, den nächsten Schritt zu wagen. Auch auf einer Professur dürfen Sie sich noch weiterentwickeln, dazu lernen und müssen nicht in allem perfekt sein. Insbesondere im Coaching mit Wissenschaftlerinnen erlebe ich immer wieder, wie hilfreich es ist, dem eigenen Zutrauen einen kleinen Booster zu geben und sich für die Bewerbung zu entscheiden.

Zu lange mit der Bewerbung zu warten, kann ja auch dazu führen, dass jüngere und weniger Qualifizierte auf Professuren berufen werden, bei denen man selbst gezögert hat, den eigenen Hut in den Ring zu werfen. Und das fühlt sich dann auch nicht gut an.

Übrigens werden immer wieder Rufe an Menschen erteilt, die nicht alle Anforderungskriterien der Stellenausschreibung vollends erfüllen können. Bisweilen gibt es gar nicht die hier perfekt qualifizierte Person.
Also: Nur Mut!

4) Wieviel Zeit habe ich (noch)?

Berufungsverfahren dauern lange. Zwischen der Ausschreibung einer Professur und dem Stellenantritt können locker zwei Jahre ins Land gehen. Manchmal geht es schneller, insbesondere bei Juniorprofessuren, manchmal auch noch langsamer. Sie brauchen also eine Pufferzeit. Insofern ist die Dauer des aktuellen Beschäftigungsverhältnisses für die Entscheidung von Bedeutung, ebenso wie die Frage wie lange Sie aufgrund der Befristungsregelungen überhaupt noch auf einer Qualifikationsstelle arbeiten dürfen.

Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Entscheidung und natürlich auch für die Bewerbung!

Und versprochen, demnächst gibt es hier mehr zum Thema Selbstvertrauen und dem sogenannten Imposter-Syndrom in der Wissenschaft

(c) Franziska Jantzen
Foto: unsplash

09.07.2021

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