Vorsingen, der Blog für die letzten 100 Meter auf dem Marathon zur Professur

Vier Tipps für Wissenschaftlerinnen in Berufungsverfahren

Um es gleich vorweg zu sagen, ja, es gibt immer noch Unterschiede in der Bewertung von Männern und Frauen durch Berufungskommissionen.

Dahinter stehen oftmals Zweifel gegenüber der Leistungsfähigkeit oder sehr diffus der Passfähigkeit in einer männlich geprägte Community. Subtile und tradierte Formen der Ausgrenzung wirken weiter. Zudem gibt es bisweilen immer noch Bedenken, dass die Bewerberin sofort schwanger wird, sobald sie eine feste Stelle hat.

Heute gibt es diese Probleme doch gar nicht mehr, sagen viele, die Männer haben doch gar keine Chance eine Stelle zu bekommen, sagen andere. Nüchtern hingeschaut sind jedoch in vielen Fakultäten und Studiengängen Professorinnen noch immer in der Unterzahl. Und das auch dort, wo besonders viele Studentinnen eingeschrieben sind.

Faire Verfahren oder (subitle) Ausgrenzung von Wissenschaftlerinnen

Alles Zufall? „Es gab eben keine gute Bewerberin…“, so wird diese Situation bisweilen gerechtfertigt. Wer das glaubt, übersieht die inzwischen sehr gute Untersuchungslage in diesem Feld. Nein, es handelt sich hier häufig um strukturelle und manchmal auch ganz offene Diskriminierung. Wir müssen es immer noch so klar benennen, solange sich nicht genug ändert. Ich bekomme leider immer noch Berichte von Bewerberinnen aber auch engagierten Mitgliedern von Berufungskommissionen, die vom unfairen Umgang mit Wissenschaftlerinnen auf ihrem Karriereweg und in Berufungsverfahren berichten.

Um den Pessimismus nicht allzu groß werden zu lassen: Es gibt auch Studiengänge mit 70% Professorinnenanteil und viele positive Erfahrungsberichte über sehr professionell und fair arbeitenden Berufungskommissionen. Seien Sie optimistisch, dass es auch bei Ihrer Bewerbung so sein wird. Und seien Sie gleichzeitig auf alles andere vorbereitet…

Strategische Positionierung im Berufungsverfahren

Fix the women ist eigentlich nicht meine Haltung. Aber es ist auf jeden Fall gut, sich strategisch und mental auf die Verfahren vorzubereiten. Um nicht in Stolperfallen zu geraten, möchte ich Ihnen folgende vier Tipps mit auf den Weg geben:

1. Präsentieren Sie Ihre Stärken und Kompetenzen

Manche Wissenschaftlerinnen tendieren bisweilen dazu, eher bescheiden oder zurückhaltend im Berufungsverfahren aufzutreten. Das berichten Kommissionmitglieder und das erlebe ich auch immer wieder in den Vorbereitungscoachings mit Bewerberinnen auf eine Professur.

Es ist jedoch sehr wichtig, selbstbewusst zu zeigen, was Sie bisher erreicht haben und mit welchen Plänen und Zielen Sie an den neuen Hochschulstandort kommen möchten. Es wird von Ihnen erwartet, dass Sie Ihre Stärken präsentieren, damit die Kommission einen Eindruck von Ihren Potenzialen und Ihrer Leistungsfähigkeit bekommt. Das Vorsingen ist daher nicht der richtige Ort für übergroße Bescheidenheit oder gar Selbstkritik.

Machen Sie sich auch bewusst, dass die Berufungskommission nicht alle Daten und Infos aus den Lebensläufen der Bewerber*innen memoriert. Weisen Sie daher ruhig noch einmal auf das gerade eingeworbene Drittmittelprojekt, den Forschungsaufenthalt an einer Universtität im Ausland oder ein erfolgreiches Lehrprojekt hin.

2. Schwangerschaften aus dem Fokus nehmen

Wenn Frauen schwanger sind, werden sie oftmals auf die Schwangerschaft reduziert. Es kann z.B. sein, dass darüber spekuliert wird, ob Sie nun erstmal länger ausfallen. Ofrmals wird auch die Leistungsfähigkeit in der Zukunft in Frage gestellt.

Und: Soviel weiblicher Körper irritiert manche noch immer. Erst seit wenigen Jahrzehnten gibt es Frauen in der Wissenschaft, das Bild des Professors ist immer noch sehr männlich geprägt. Wenn Sie hundert Menschen bitten, spontan eine*n Professor*in zu zeichnen, wird auf keinem Bild eine schwangere Frau zu sehen sein… Das lässt sich als Bewerberin nicht ändern.

Eine pragmatischer Umgang damit könnte sein, so lange es geht, kaschierende Kleidung zu tragen. Unter einem geschickt geschnittenen Jackett lässt sich viel Bauch verbergen.
Auf keinen Fall sollten Sie die Kommission auf die bestehende Schwangerschaft hinweisen.
Ist der Bauch rund und unübersehbar, der rosa Elefant also im Raum, müssen Sie dies auch nicht unbedingt kommentieren.

Alternativ könnten Sie kurz und eher en passent Ziele und Daten nennen, aus denen implizit deutlich wird, wie sie in der näheren Zukunft arbeiten werden: „In vier Monaten reichen wir den Drittmittelantrag ein“. „Für nächstes Jahr ist der Workshop xy in Vorbereitung“. So formulieren Sie implizit, dass Sie trotz des anstehenden Geburtstermins planen, die Professur zu übernehmen. Wie sie Ihr Leben dann gestalten, wenn das Kind da ist, wird sich ohnehin zeigen… Und auch wenn Sie sich später für ein Jahr Elternzeit entscheiden, gibt es keinen Grund für ein schlechtes Gewissen.

Oftmals dauert ein Berufungsverfahren ohnehin viele Monate bis Jahre. Wenn der Ruf mit Glück erst weit nach dem Geburtstermin kommt, haben Sie immer noch etwas Verhandlungsspielraum bezüglich des Stellenantritts. So kann zwischen dem Bewerbungsgespräch und tatsächlichem Wechsel an die neue Uni locker ein Jahr vergehen.

Und hier noch eine gute Nachricht: In 2020 habe ich schon von zwei Wissenschaftlerinnen gehört, die hochschwanger ins Vorsingen gingen und den Ruf bekommen haben.

3. Sagen Sie auf keinen Fall, dass Sie wegen der Kinder oder der Partnerschaft zum neuen Hochschulstandort pendeln werden

Eine typische Frage der Berufungskommission lautet: Werden Sie eigentlich (mit Ihrer Familie) zu uns nach XY ziehen?“. Dahinter steht das natürlich sehr nachvollziehbare Interesse der Hochschule, dass Sie vor Ort anwesend sind und nicht nur mittwochs und donnerstags kurz für die Lehre auftauchen.

Wenn Sie allerdings planen, zu pendeln und das auch noch ausführlich begründen, verringern Sie die Chance, den Ruf zu erhalten. Das gilt natürlich besonders für Standorte am Rande der Republik mit langen Pendelstrecken und weniger für die Distanz von Göttingen nach Hannover oder Duisburg nach Dortmund. Egal, ob Ihre Tochter gerade erst eingeschult wurde und Sie ihr einen Wechsel nicht zuzumuten möchten oder Ihr Mann seine gut gehende Radiologiepraxis oder sein Engagement am Theater nicht aufgeben wird, das alles sollte nicht im Bewerbungsgespräch Thema werden.

Was also tun? Meiner Erfahrung nach sagen Bewerber*innen hier oftmals nicht die Wahrheit. Das ist natürlich sehr unbefriedigend für alle Seiten, scheint aber im Augenblick Usus zu sein. O-Ton aus einer Berufungskommission vor einiger Zeit: „Warum war sie (die Bewerberin) denn so ungeschickt zu sagen, dass sie nicht umzieht? Sie war die Einzige, die offen gesagt hat, dass sie pendeln wird. Jetzt können wir sie nicht berufen…“

4. Den Konjunktiv nur sparsam einsetzen

Natürlich beherrschen Sie den Konjunktiv sicher. Aber hier ist nicht der Platz, diese Kompetenz auszuleben. Denn Formulierungen im Konjunktiv wirken oftmals vage und wenig aktiv. Hier typische Beispiele: „Wenn Sie mich berufen würden, würde ich zunächst…“ „Es wäre es vielleicht eine gute Idee…“ „Es gäbe sicher viele gute Gründe für…“. Sätze dieser Art sorgen – insbesondere aneinander gereiht – dafür, dass Sie als schwach und eventuell zu wenig entscheidungs- und durchsetzungsfähig wahrgenommen werden.

Besser ist es, direkter und klarer die eigenen Ziele oder Überlegungen zu formulieren. Das muss nicht bedeuten, pushy, unhöflich oder unstrategisch zu agieren. Verwenden Sie aktive Formulierungen wie: „Mein Ziel ist…“. „Ich plane…“, „Im Falle der Berufung möchte ich gerne mit meinem Kooperationspartner Projekt xy etablieren“. „In der Lehre kann ich mir sehr gut vorstellen, …“ „Die Zusammenarbeit interessiert mich sehr“

Fazit: Zeigen Sie Ihre Stärken und lassen Sie sich von tradierten Rollenbildern nicht inrritieren

Sehr informativ über die Situation von Frauen in der Wissenschaft:
Genderreport NRW

Welche Strategien haben Sie für sich selbst als hilfreich erlebt? Welche Empfehlungen haben Sie für Kolleginnen, die sich bewerben? Ich freue mich über Rückmeldungen und Kommentare!

(c) Franziska Jantzen
Foto: Lucas1989/photocase

23.09.2020

Kontakt

Franziska Jantzen
entwicklungen
Friesenstraße 17 · 30161 Hannover
Tel.: 0049 (0)511-89711494
E-Mail: info@jantzen-entwicklungen.de