Liebe X,
tatsächlich wird diese Frage von Berufungskommissionen öfter gestellt, ich höre seit circa 15 Jahren davon. Früher ausschließlich von Kommissionen in der Medizin, in den letzten Jahren aber zunehmend auch aus den Sozial- und Geisteswissenschaften.
Zunächst ist es gut, sich bewusst zu machen, dass nur wenige Berufungskommissionen in Interviewtechnik geschult sind, oder gar von Personalprofis beraten werden. Vielmehr gibt es häufig einen bewährten Fragenkatalog oder es wird gemeinsam überlegt, welche Fragen hilfreich sein könnten, um ein differenziertes Bild der Bewerberinnen und Bewerber zu erhalten. Die Millionen-Euro-Frage bricht hier aus dem klassischen Fragenrepertoire nach Forschung, Drittmitteln, Lehre oder geplanten Kooperationen aus. Und das macht sie interessant. **Die Bewerberinnen müssen aus der Deckung kommen, durch den Überraschungseffekt wird die oftmals ja sehr gute Vorbereitung umgangen.
Darüber hinaus hat die Frage etwas mit einer Sorge von Berufungskommissionen zu tun, die bisweilen im Rahmen der vielen Tenure-Track-Ausschreibungen zu beobachten ist. Die lautet in etwa so: Wie können wir in dieser Karrierephase herausfinden, ob jemand wirklich das Potenzial für eine Vollprofessur hat? Kann dieser junge wissenschaftliche Nachwuchs bereits 2-3 Jahre nach der Promotion die erfahrene und möglicherweise gar renommierte Lehrstuhlinhaberin im Ruhestand ersetzen? fragen sich manche. Diese Zweifel liegen natürlich auch an der in Deutschland noch geringe Erfahrung mit der frühzeitigen Besetzung von (Voll-)Professuren. Dass das auch langfristig Erfolg verspricht, davon sind einige, die den traditionellen Qualifikationsweg gegangen sind, noch nicht ganz überzeugt.
Ob das immer funktioniert, sei dahingestellt. In erster Linie ist sicher zu sehen, wie spontan jemand in der Lage ist, die Dimension der Frage zu erfassen und eine passende Antwort zu finden. Dass auch weniger spontane Menschen nach gründlichem Nachdenken sehr gute und passende Konzepte entwerfen könnten, wird dabei nicht immer berücksichtigt.
Wohin würde die Zwei-Millionen-Euro-Forschungs-Reise gehen? Wie sähe ihr Forschungskonzept unter dieser Prämisse aus?** Welche Schwerpunkte würden Sie auch mittel- und langfristig setzen? Dieses Out-of-the-Box-Denken kann sehr inspirierend sein und helfen, eine Strategie zu entwickeln, wie Sie auch zunächst unrealistisch erscheinenden Zielen Schritt für Schritt für Schritt näher kommen können.
Auch das wäre Out-of-the-Box-Denken und könnte vielleicht sogar eine sehr interessante Antwort für die Berufungskommission sein.
Franziska Jantzen arbeitet in Hannover als Coach, Trainerin und Karriereberaterin im Wissenschaftsbereich und berät die Scientific Community in ZEIT WISSEN3 als "Dr. acad. Sommer".
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17.02.2022
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